C-Level Besetzungen sind eine Kunst für sich. Um diese absoluten Schlüsselpositionen im Unternehmen sinnvoll und langfristig zu besetzen, ist eine gründliche Analyse der Organisation und ihrer Ziele Voraussetzung . Diese harte Arbeit rentiert sich dafür umso mehr: Denn mit der passgenauen Besetzung von Führungspositionen steht und fällt die Zukunft ganzer Unternehmen. Im t3n-Podcast diskutierte unsere Managing Partnerin Martina van Hettinga mit dem Journalisten Andreas Weck, wie es Unternehmen gelingt, sich in einem immer härter umkämpften Kandidat:innen-Markt zu behaupten. Für unser eigenes Journal hat Martina ihre wichtigsten Argumente und Erkenntnisse aus der Diskussion zusammengefasst:
Wie finden Kandidat:innen und das nach Führungspersönlichkeiten suchende Unternehmen zusammen? Gleich vorab: Eine Stellen lediglich auszuschreiben, führt definitiv nicht zu einem Ansturm von Kandidat:innen für die vakante Position. Bei Führungspersönlichkeiten verhält es sich oftmals wie mit Profifußballer*innen. Die besten Talente sind zumeist in andere Verträge gebunden und müssen aus diesen Vertragsverhältnissen abgeworben werden. Laut unseren internen Analysen sind 90 Prozent der offenen Stellen öffentlich gar nicht erst ausgeschrieben. Bedenkt man gleichzeitig die tragende Rolle von Führungspersönlichkeiten für den Erfolg und die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, erkennt man schnell die Not, in der sich Unternehmen befinden, sollten C-Level-Vakanzen eben genau dies bleiben: vakant.
Wie verläuft der Headhunting-Prozess?
Die große Kunst ist, angesichts mehrerer parallel ablaufender Prozesse die Struktur nicht aus den Augen zu verlieren – ein Balanceakt, der nur gelingt, wenn ganz zu Anfang die Organisationsarchitektur und die Unternehmensziele gründlich analysiert wurden. Nur dann kann man genau die Persönlichkeit finden, die wie ein fehlendes Puzzlestück das bestehende Team ergänzt. Erst nach Abschluss dieser Analyse werden mögliche Kandidat:innen gesucht und Kontakte angebahnt. Die fachliche Kompetenz ist dabei nur eine Säule im Hiring Prozess – und bei weitem nicht die tragende!
Entscheidende Faktoren und die Bedeutung des Lebenslaufs.
Die große Frage lautet: Was verrät der CV eines Kandidaten oder einer Kandidatin über künftige Erfolge in einer neuen Organisation? Und wichtiger noch: Verrät ein Lebenslauf überhaupt, ob jemand ein guter “Fit” für eine Position ist? Ausgehend vom Werdegang lässt sich auf bisherige Erfahrungen und Kompetenzen schließen. Das ist schön und gut. Was aber mindestens genauso relevant ist, um zu beurteilen, ob die Person “ein Match” ist: ihre oder seine Haltung und Persönlichkeit.
Denn C-Levels, die Unternehmen in die Zukunft leiten sollen, überzeugen nicht nur durch inhaltliche Kompetenz, sondern müssen auch Kommunikationsfähigkeit, Resilienz und Empathie mitbringen. Vermeintliche Soft-Skills sind heutzutage viel mehr als das Zünglein an der Waage im Besetzungsprozess. C-Level-Persönlichkeiten mit Digital-Expertise müssen hartnäckig genug sein, alte Prozesse aufzubrechen und neue einzuführen. Fingerspitzengefühl ist dabei das A und O, damit die Mitmenschen nicht vor den Kopf gestoßen werden, sondern im Gegenteil: sie sich für diese neuen Abläufe begeistern.
Durch Krisen haben wir gelernt: Wir brauchen Menschen, die uns durch den Transformationsprozess leiten.
Das Kandidat:innenprofil sieht heutzutage komplett anders aus als noch vor einigen Jahren. Führungskräfte brauchen ein gutes Gespür für Krisenmanagement, müssen aber auch gleichzeitig in der Lage sein, die richtigen Leute ins Boot zu holen, diese zu fördern und zu halten: Statt alles auf eigene Faust zu machen und das eigene Ego in den Vordergrund zu drängen, braucht es Teamplayer.
Zurecht stellen sich dabei die Fragen: Sind die Anforderung an C-Level zu hoch? Kann man diesem Anspruch als potentielle:r Kandidat:in überhaupt gewachsen sein?
Meine Antwort auf die letzte Frage lautet: Ja! Definitiv. Insgesamt wachsen die Anforderungen an Führungskräfte immens. Und auch wenn wir in der Masse zweifelsfrei nicht über ausreichend Expert:innen verfügen, die diesen Anforderungen in der Fülle gerecht werden, kann man sie finden. Es gibt sie durchaus, die Kandidat:innen, die bereits erfolgreich eigene digitale Geschäftsmodelle aufgebaut haben, zugleich aber auch über Erfahrung aus der Konzernwelt oder der Unternehmensberatung verfügen.
Nice to have war gestern: Was bedeutet das nun für die digitalen Kompetenzen?
Noch eine Anmerkung zum Begriff “digital”, der sich durch alle Bereiche zieht. Schließlich werden heutzutage mehr denn je C-Level-Kandidat:innen mit Digital Expertise gesucht. Wenn ich von „digital“ oder „Digitalisierung“ spreche, dann meine ich aber keinesfalls nur den CTO oder den CDO, der die nötige Erfahrung und fachliche Kompetenz mitbringt – wir brauchen vor allem eine kulturelle Transformation! In den letzten zehn Jahren hatten wir einen großen Boom an klassischen Digitalunternehmen – Milliarden an Wachstumskapital sind in den europäischen Tech-Sektor geflossen. Doch was ist mit mittelständischen Unternehmen und Konzernen abseits der Tech-Blase? Mit welchen Persönlichkeiten sorgen sie dafür, dass ihre Unternehmen im Wettrennen um Innovationen nicht den Anschluss verlieren? Sicher ist: Wir haben zu wenig Nachwuchs, in den nächsten drei bis vier Jahren eine starke Überrentung und ein Bildungssystem, das seit über 20 Jahren nicht nachzieht, was die technologischen Entwicklungen betrifft. Und diese Lücke ist schwer zu schließen. Das Matching wird aus Unternehmenssicht nicht einfacher.
Diversität: Es geht nicht ohne.
Diversität spielt daher auf allen Ebenen eine sehr große und wichtige Rolle. Vor allem Frauen haben in den Verhandlungen inzwischen gute Aussichten: Die Nachfrage nach weiblichen Führungskräften ist noch stärker gestiegen als der Durchschnitt. Unternehmen müssen heutzutage ihren Fokus auf die Mitarbeitenden richten: Sei es beim Gehalt oder auch beim Standort und remote Arbeit – Flexibilität ist heutzutage für jedes Unternehmen Pflicht. Diversität ist zugleich aber auch eine Chance, wahrscheinlich die einzige: Denn es muss uns bewusst werden, dass wir ohne mehr Diversität die Fachkräfte-Lücke nicht schließen werden, dies gilt insbesondere auch im C-Level.
Junge Führungspersonen: Count them in!
Anknüpfend an das Thema Diversität stellt sich die Altersfrage. Ein gewisses Alter bringt zwar eine gewisse Lebens- und Berufserfahrung mit sich, allerdings bergen auch jüngere Persönlichkeiten Vorteile. Wer sich umschaut, findet beispielsweise ausreichend junge CEOs, die ein Unternehmen erfolgreich gegründet und skaliert haben. Führung ist also nicht per se eine Frage des Alters. Es geht bei der richtigen Führung immer mehr um die Kombination aus einer starken Persönlichkeit und der Einstellung – und in einem diversen Führungsteam vor allem um die richtige Balance.
Raum für Flexibilität geben
Angesichts der Erwartungshaltung an Führungspersonen ist eine 20-Stunden-Woche extrem unwahrscheinlich. Eine gut funktionierende Organisation kann aber durchaus eine 30-Stunden-Woche, auch für ihr C-Level, in Betracht ziehen. Wobei immer bedacht werden muss: Wir sprechen von der obersten Führungsriege, die bei Problemen so schnell wie möglich agieren muss (ihre Agilität und Flexibilität ist ja gerade ein Grund, warum sie diese Position innehaben). Daher muss bei aller Work-Life-Balance die Erreichbarkeit und Verfügbarkeit berücksichtigt werden. Was sich immer mehr etabliert, sind in diesem Zusammenhang flexible Zeitmodelle: Es ist mehr als verständlich, dass wir heutzutage nicht mehr bereit sind, unsere Lebenszeit dem Job allein aufzuopfern. Räumlich und zeitlich flexibel arbeiten zu können, ist oftmals der Ausweg. So kann ich als Mutter zwar nicht immer bis nach 20 Uhr im Büro bleiben, allerdings kann ich durchaus noch in den späteren Abendstunden von zu Hause aus arbeiten.
Mein Appell an Wirtschaft, Politik und Gesellschaft
Dass diese Führungskräfte knapp sind, liegt auch an Gesellschaft, Wirtschaft und Politik: Maximale Resilienz, Risikofreude, emphatische sowie kognitive Fähigkeiten und digitale Skills werden erwartet. Und trotzdem sind wir in einem System gefangen, in dem diese Qualitäten weder von der Bildung strukturiert gefördert, noch später im Beruf konsequent geschult werden. Von daher nochmal mein eindringlicher Appell an Politik und Wirtschaft in unserem Bildungs- und Ausbildungssystem nicht zu stur an veralteten Curricula zu verharren, sondern den Stundenplan und die Lerninhalte flexibel den Anforderungen der heutigen Zeit anzupassen.
Im t3n-Podcast mit Andreas Weck diskutiert Martina van Hettinga ausführlich über das Matching von Führungspersönlichkeiten und Unternehmen – und auch, was sich in unserer Gesellschaft ganz grundsätzlich ändern muss angesichts des immensen Fachkräftemangels und der rückständigen Digital-Ausbildung. Außerdem verrät Martina, mit welchen Gehältern Unternehmen rechnen müssen. https://t3n-podcast.podigee.io/385-c-level