Hallo liebe Katja, du bist seit 2019 Partnerin bei i-potentials und warst davor viele Jahre als HR-Führungskraft im digitalen Ökosystem unterwegs. Kannst du uns ganz kurz von Deiner Karriere in die Digitalwirtschaft erzählen?

Katja: Ich hatte das große Glück zu einer frühen Phase in das digitale Ökosystem zu kommen und bin dadurch ein echtes „Gewächs“ der Berliner Digitalwirtschaft. Gestartet hat alles bei Jamba. Mein Fokus waren von Anfang an Personalthemen, in den jungen Startups waren die aber viel näher an den Gründern dran als man das aus etablierten Unternehmen kannte. Jedenfalls hatte ich so die Gelegenheit, den Teamaufbau vor allem in relevanten Ecom-Konstrukten zu gestalten und zu orchestrieren – und das ganzheitlich, inklusive Themen wie Ausbildung, Automatisierung von Prozessen oder internationalem Arbeitsrecht. Bei Zalando habe ich so als erste Head of HR die Grundlage für die Organisation geschaffen, war danach dann unter anderem bei reBuy und Flaconi.

Wie verschlägt es einen aus der operativen HR-Führungsfunktion in die Personalberatung? 

Katja: Ich war nach den vielen Jahren in der Praxis sowieso schon dabei, mich als Beraterin selbstständig zu machen und kannte i-potentials aus der Kundenperspektive. Daher hatte ich die Gelegenheit als Freelancerin einzusteigen und habe schnell gemerkt: Das ist das Richtige für mich. Zum einen fand ich die Bandbreite der Mandate spannend, weil ich sowieso ein neugieriger und vielseitig interessierter Mensch bin, der gerne Neues kennenlernt, gestaltet und aktiv mit umsetzt. Zum anderen ist es aber auch reizvoll, ein Suchmandat wirklich vom ersten Briefing bis zur Besetzung strategisch zu steuern und mit dem Kunden wirklich auf Augenhöhe zu arbeiten – das hat man im operativen HR selten, selbst in einer Führungsrolle.

Lass uns trotzdem noch einmal die CHROs und die HR-Führungspositionen schauen: Wo siehst Du hier – jetzt aus deiner Perspektive als Beraterin – die größten Herausforderungen?

Katja: Die HR-Funktion ist immer in einer Sandwich-Position, da mit ihr immer noch viel Administratives, Rechtliches und auch eine interne Dienstleisterrolle verbunden wird. Das ist oft auch so gewollt, bedeutet aber auch, dass die Wirksamkeit eines Personalressorts meist in anderen Unternehmens-KPIs aufgeht. Aus dieser „Ecke“ kommt der Bereich langsam heraus, dennoch ist eine unternehmerische und datengetriebene Herangehensweise dort noch eher selten – auch wenn wir mittlerweile bei einigen gut finanzierten Scaleups sehen, wie Gründer und Gründerinnen das Thema anders angehen.

Wie zum Beispiel?

Katja: Für Unternehmen, die binnen 3 Jahren beispielsweise von 300 auf 1000 Leute wachsen wollen, ist HR als reine Admin-Funktion nicht tragbar. Der Wachstumsschmerz wird irgendwann einfach zu groß, wenn man Personal nicht strategisch mitdenkt. Daher wird der Bereich im Wachstumsumfeld immer häufiger in einer „Organisationslogik“ – sprich „Organisation, People & Culture“ – gedacht, in der der Schwerpunkt ein ganz anderer ist und wo die Führungskräfte auch nicht zwingend jahrelange HR-Erfahrung haben müssen.

Dann mal provokant gefragt: Werden Leute, die nicht aus dem HR-Bereich kommen, künftig die besseren Chief People Officer sein?

Katja: Es gibt bestimmte HR-Funktionen, in denen brauchst Du Expertise. In Unternehmen, wo der ganze operative Unterbau des Personalwesens fehlt, geht es nicht ohne Leute, die sich darin auskennen. Ist der jedoch vorhanden, kommt es in Zukunft vor allem darauf an, eine HR-Führungskraft zu haben, die Geschäftsmodell und Strategie in eine Vision für die Talent- und Leadership-Seite übersetzen kann – und die dann noch über den nötigen Methodenkoffer verfügt, sie in die Umsetzung zu bringen. Und da sehen wir vor allem in Scaleups verstärkt die Offenheit für gute Chief People Officer, die etwa aus der Strategieberatung, aus dem Operations- oder auch Marketing-Bereich kommen.

Einmal unabhängig vom HR-Bereich gefragt: Sind Unternehmen in der Digitalwirtschaft für diese strategischen und ambitionierten Kandidat:innen grundsätzlich attraktiver?

Katja: Es gibt immer mal wieder Unternehmen und Kandidat:innen, die das denken, aber ich würde das pauschal nicht unterschreiben – dafür spielen zu viele Faktoren mit hinein. Man muss sich einmal fragen: Wie reguliert ist ein Unternehmen? Je größer, desto mehr Prozesse und auch Compliance hängen daran. Kandidat:innen sollten sich ehrlich fragen: Wo sehe ich mich? Geht es mir darum, etwas auszuprobieren oder darum hohe, standardisierte Qualität zu liefern? Will ich lieber gestalten oder bewahren? Das kann und sollte man ehrlich für sich beantworten – wir bewegen uns ja in einem Kandidatenmarkt, wo es für fast jede Vorliebe auch ein Angebot gibt.

Das klingt nach guten Zeiten für Kandidat:innen, aber wie gehen Unternehmen mit dieser Marktlage um?

Katja: Das wird tatsächlich noch spannend zu sehen, auch weil die Gehälter gerade im Digitalbereich sehr stark steigen. Manche Corporates mit traditionellen Gehaltsgefügen haben dann nur noch wenig Spielraum, also bleiben Stellen lange unbesetzt. Es wird mit Blick auf den Fach- und Führungskräftemangel künftig also noch stärker darum gehen, Potenzial auch intern zu erkennen und Führung neu zu definieren. Das Strategische mit dem Menschlichen zu verbinden – das wird für uns alle die große Aufgabe der Zukunft.