Hi Martina, Du bist Managing Partnerin und Miteigentümerin von i-potentials. Wolltest Du schon immer Unternehmerin werden?
Martina: Den Start meiner „Karriere“ hatte ich zunächst klassisch in großen Organisationen geplant: Schon in meiner Studienzeit in Berlin, Paris und London konnte ich Einblicke bei Springer, Amnesty International, Siemens und den Vereinten Nationen in New York sammeln. Das waren allesamt sehr lehrreiche Stationen, doch mir ist recht schnell klar geworden: Ich will deutlich mehr Verantwortung übernehmen und mit meiner Arbeit bestenfalls direkt Einfluss auf das Unternehmenswachstum nehmen. So habe ich mich dann während der Finanzkrise für einen Einstieg in die damals noch sehr junge Tech-Branche entschieden, was ich bis heute nicht bereut habe. Bereits in meinem ersten Job habe ich sehr schnell Verantwortung übernommen und unter anderem interimistisch bereits nach 6 Monaten die Personalabteilung geleitet. Die Lernkurve aus dieser Zeit ist natürlich unbezahlbar.
Und was hat Dich dann ins Startup-Ökosystem verschlagen?
Martina: Ich bin bei einem Berliner Company Builder als „Chief of Staff“ im Venture Building und damit dann im Zentrum des noch jungen Startup-Ökosystems gelandet. Da konnte ich plötzlich genau das, was ich immer wollte: Einfach machen! Ein Portfolio-Unternehmen hat noch kein Controlling? Bau es auf! Du denkst, etwas sollte anders laufen? Ändere es! Diese Gestaltungsfreiheit und Meritokratie hat mir schon immer gefallen. Wer eigenverantwortlich arbeitete und ablieferte, konnte sich sehr schnell entwickeln – und zwar ohne erstmal 4 Jahre auf irgendeiner Position geparkt zu werden. Ich habe in all meinen Stationen dann selbst die Erfahrung gemacht: Organisationsdesign und damit die richtige Talent- und Führungsstrategie sind wesentliche Hebel des Unternehmenserfolgs – und dieser wird Markt künftig einer der am härtesten umkämpften. Deshalb habe ich mich entschlossen bei i-potentials als Co-Geschäftsführerin mit einzusteigen. Dass ich das nun schon seit über 7 Jahren mache, hätte ich damals nicht gedacht, aber die Zeit verging einfach wie im Flug und war keinen einzigen Tag langweilig.
Seit 2014 führst Du das Unternehmen gemeinsam mit Constanze Buchheim. Was bedeutet Unternehmensführung in einer Doppelspitze?
Martina: Als Portfolio-Managerin und auch als Personalberaterin sieht man über die Jahre einiges an Konstellationen in Führungsspitzen. Und man sieht auch, wie einsam es häufig an der Spitze sein kann. Daher empfinde ich eine Doppelspitze als strategischen Vorteil, besonders mit einer Sparringspartnerin auf Augenhöhe wie ich sie mit Constanze habe. Wir teilen gemeinsame Werte und Ideale, sind aber in unseren Kompetenzen und Persönlichkeiten sehr divers, sodass wir unsere Stärken in unterschiedlichen Situationen gut ausspielen können. Die Voraussetzung, damit so etwas funktioniert, ist aber auch: Ehrlichkeit und Transparenz, sich selbst und dem anderen gegenüber.
Du bist Unternehmerin und investierst selbst als Angel in Startups – bei i-potentials berätst Du andere CEOs und Unternehmer:innen dazu, wie sie ihre Führungsspitze aufstellen. Hast Du durch Deine Tätigkeit eine andere Perspektive auf das, was bei Deinen Kunden passiert?
Martina: Im Company Building und in der Personalberatung gehen wir, vereinfacht gesprochen, von 3 Säulen aus: erstens das Geschäftsmodell, also Markt, Zielgruppe, Modell. Zweitens Finanzierung. Und in der dritten Säule schauen wir uns an, was das für das Organisationsdesign und damit für die Vorstandsbesetzung, die Führung und die gesamte Talentstrategie bedeutet. Ich denke, die unternehmerische Perspektive macht dabei die Beratung inklusive deren Umsetzung besser, weil wir uns auf beiden Seiten des Tisches einig sind: Es geht um Wertschöpfung. Die Tatsache, dass ich beide Seiten kenne, erleichtert es ehrlich und auf Augenhöhe zu beraten. Kein CEO weiß alles, und so ist jeder Besetzungsprozess bei uns auch ein Sparring, bei dem in der Regel beide Seiten etwas dazulernen.
Kein CEO weiß alles, aber was sind aus Deiner Sicht die Fähigkeiten, mit denen die CEOs der Zukunft am meisten punkten?
Martina: Wir steuern in einen Markt, in dem Talent mehr Macht hat als Kapital, einfach, weil es knapper ist. Daher sind die Top-CEOs der Zukunft diejenigen, die es schaffen, Menschen für eine Sache zu begeistern und gerade in unsicheren Zeiten psychologische Sicherheit zu vermitteln. Die vermeintlich „soften“ Faktoren gewinnen an Bedeutung: Resilienz, Empathie, Kommunikation – und dabei vor allem: Zuhören. Man könnte auch sagen: Die besten CEOs wissen, dass sie nicht alles wissen. Aber sie hören nie auf zu lernen.
Klingt so, als ob es an der Spitze nicht einfacher werden würde…
Martina: Nein, die Anforderungen steigen immer weiter und es kommen neue hinzu. Erstmal musst Du als Führungspersönlichkeit heute permanent unter Unsicherheit Entscheidungen treffen, ohne zu wissen, ob alles so funktionieren wird wie geplant. Viel schwieriger ist aber noch: Du musst die Fähigkeiten haben, in einer sehr lauten Welt zu fokussieren, ohne den Puls des Marktes zu verlieren.
Was ist dein Top-Tipp an Gründer, die das nächste Unicorn bauen wollen?
Martina: Ich erlebe immer wieder Gründer:innen, die auch auf dem Unicorn-Track immer noch nicht groß und „langfristig“ genug denken – und entsprechend dann leider auch auf bei Talent- und Organisationsdesign, also auf HR-Seite, deutlich zu konservativ planen. Gerade wir Deutschen sind immer noch sehr auf unseren Markt fokussiert und denken auch den Talentmarkt nicht global. Wenn ich innerhalb weniger Jahre, von 350 auf 2500 Mitarbeiter:innen skalieren will, muss ich das strategisch sehr konkret durchplanen.
Wie sieht so ein konkreter Plan aus?
Martina: Es beginnt mit den strategischen Fragen. Wie viele Recruiter brauche ich? Wie viel Zeit verwenden meine Führungskräfte auf Recruiting? Was kostet mich alleine das Onboarding der neuen Mitarbeiter? Wie öffne ich mich rechtzeitig für internationales Talent? Mein Tipp: Je eher eine realistische Planung der Wachstums-KPIs Eingang in den Business Plan findet, desto besser. Man sollte nicht erst bis zur nächsten Finanzierungsrunde warten. Eine wichtige Kennzahl ist beispielsweise der Anteil der HR-Mitarbeiter an der Gesamtmitarbeiteranzahl. Früher ging man hier in klassischen Industrien noch von 1,5-2,5 % aus. Heute sehen wir in der Technologiebranche schon eher mind. 5 % bei starken Wachstumsunternehmen kommen aber auch schon einmal 10 % vor. Es kommt vor allem darauf an, die Organisation schon heute für die Wachstumspläne in 2-3 Jahren aufzustellen, da neben den Kündigungsfristen, durch den hart umkämpften Markt auch längere Besetzungszeiten eingeplant werden müssen.
Zum Schluss ein kurzer Schwenk vom Markt zu Politik – wir debattieren hierzulande gerade mal wieder über die Schaffung eines Bundesdigitalministeriums. Mal ein kleines Gedankenspiel für den Executive Search: Was müsste ein:e Digitalminister:in mitbringen?
Martina: Ein:e Digitalminister:in hat gewisse Parallelen zu dem, was wir in der Wirtschaft als Chief Digital Officer bezeichnen würden. Also jemand, der die diversen Digitalsierungsinitiativen bei sich bündelt und strategisch aufsetzt, damit die einzelnen Ideen nicht ins Leere laufen. Dabei gibt es aber zwei Knackpunkte, die mit der Person rein gar nichts zu tun haben: Erstmal darf so eine Position kein reines PR-Feigenblatt sein, was sie leider in Unternehmen wie auch in der Politik häufig ist. Sie braucht Budget, die richtigen Leute und Durchgriff. Zweitens braucht es im ersten Schritt zumindest die Bereitschaft der anderen Ressorts mitzuziehen – in einem Staat vor allem Bildung und Infrastruktur. Ein:e CDO oder Digitalminister:in kann nur dann erfolgreich sein, wenn wirklich jeder in der Führungsspitze verstanden hat, dass das hier keine Übung mehr ist – sondern, dass es um die Zukunft geht und damit eben auch Aufgabe aller Ministerien ist. Analog kann in einem Unternehmen auch nicht ein:e CDO die komplette Organisation digitalisieren – die anderen C-Level müssen schon mitmachen.