Marlen Kimaro ist Head of Research & Project Delivery bei i-potentials – und besetzt als Senior Consultant obendrein seit Jahren die Schlüsselpositionen der deutschen Digitalwirtschaft. Ein Gespräch über den Wert von Langfristigkeit in einer schnellen Zeit, neue Führungsprofile und gute Fragen.  

Marlen, Du kennst i-potentials noch aus der Startphase vor über 10 Jahren, daher starten wir mit einer kurzen Rückblende: Wie bist Du zu i-potentials gekommen und was hat sich seit Deiner Anfangszeit getan?

Marlen Kimaro: Es hat sich – zum Glück – so unfassbar viel verändert, das kann man kaum kurz zusammenfassen. Tatsächlich bin ich ganz am Anfang als Praktikantin gestartet, einige Jahre später bin ich als Trainee eingestiegen, dann Consultant geworden und führe seit 2017 auch Teams. 2018 war ein Highlight-Jahr für mich, als ich unseren Standort und damit auch das Team in Querfurt, Sachsen-Anhalt, mit aufgebaut habe. Das war jetzt wirklich die ganz kurze Version.

 

Wenn man über so lange Zeit der Personalberatung treu bleibt, drängt sich die Frage auf: War das schon immer Dein Karriereziel?

Marlen: Eindeutig nein. Mein Ziel war von Anfang an die Digitalwirtschaft. Ich wollte Teil dieser Welt sein, in der Unternehmen gebaut werden, das hat mich gereizt. i-potentials war und ist genau in dieser Welt zu Hause. Unsere Managing Partner Constanze und Martina haben dann Fähigkeiten in mir entdeckt und weiterentwickelt, die für unsere Art der Arbeit gut zu gebrauchen sind – das Interesse an Menschen, Neugier und die Fähigkeit, Interviews zu führen. So bin ich mehr über i-potentials zur Personalberatung gekommen als umgekehrt.

 

Nun haben sich Unternehmen, Prozesse, Team, aber auch die Digitalbranche in den letzten 10 Jahren stark geändert. Was ist es, was Dich heute noch an Deiner Arbeit reizt?

Marlen: Ich würde das in zwei Ebenen teilen, die persönliche und die intellektuelle. Für mich ist Langfristigkeit durchaus ein persönlicher Wert, an dem mir viel liegt. Ich mag es, Wachstum und Entwicklung zu sehen und es gibt mir tatsächlich einen Kick, wenn ich über einen längeren Zeitraum hinweg einen Beitrag leiste und auch unser Team so aufbaue. Gleichzeitig brauche ich auf intellektueller Ebene die Veränderung, die sich in Unternehmen – auch bei uns – vollzieht. Ich will gestalten und finde es reizvoll, Organisationen und Kulturen mit neuen Ideen und neuen Köpfen zu verändern. Für mich macht es tatsächlich die Kombination: Wenn um mich herum so viel Veränderung stattfindet, kann ich die stabile Komponente sein.

 

Was sind die größten Herausforderungen, wenn sich Unternehmen und Geschäftsmodell verändern?

Marlen: Zunächst einmal ändern sich ja auch die Kundenunternehmen – das bedeutet, man muss sich auf andere Bedürfnisse und Kulturen einstellen. Wenn man beruflich in der schnelllebigen Startup- und VC-Szene groß geworden ist, dann ist es ein Unterschied, wenn man dem ersten Oberhaupt eines großen Familienunternehmens gegenübersitzt und merkt: Die machen alles, was sie tun, für die Generation nach ihnen. Das ist ein anderer Zeithorizont und eine andere Präzision, auf die es da ankommt. Solche neuen Anforderungen waren für uns aber immer eher ein Ansporn, um zu überlegen: Wie können wir unser Wissen und unser Qualitätsempfinden nutzen, damit wir auch in dieser Welt unterstützen können?

 

Du besetzt seit Jahren Schlüsselpositionen in der Digitalwirtschaft. Was sind aus Deiner Sicht die größten Veränderungen, die in der Szene stattgefunden haben?  

Marlen: Zunächst einmal können wir mittlerweile nicht mehr von „der Digitalszene“ sprechen, das Ökosystem ist vielfältiger geworden. Vor 10 Jahren gab es die New Economy und die Old Economy, und es fand praktisch kein Austausch statt. Das ist heute anders. Heute bringt ein traditioneller Handelskonzern wie die Otto Group auch ein AboutYou hervor, ein Unicorn, das an die Börse geht. Überhaupt ist die „alte Welt“ offener geworden. Gleichzeitig werden die einstigen digitalen Pure Player internationaler, viele haben profitablere Konzepte und denken langfristiger – und auch ein aus der Szene gewachsenes Konstrukt wie Mister Spex wird zum IPO-Anwärter.

 

Merkst Du das auch an den Kandidat:innen?

Marlen: Auf jeden Fall. Die erste Generation digitaler Talente, vor allem Führungskräfte, kam aus einem engen Nukleus an Unternehmen – es gab ja keine Ausbildungswege, also waren die Kandidat:innen „self-made people“, die über das Machen gelernt haben. Der große Vorteil dieser Menschen ist ihre Lösungsorientierung. Wenn es um methodische Stärke geht, braucht es aber einen anderen Hintergrund. Auch hier merkt man den Digitalunternehmen allmählich ihren Reifeprozess an, es wird mehr auf Diversität an Erfahrung gesetzt und es sind Menschen gefragt, die sich zwischen Corporates, Startups und Beratung bewegt haben. Die Fähigkeit, in einer Führungsposition zwischen den verschiedenen Welten Brücken zu bauen, ist mittlerweile das höhere Gut.

 

Du sprichst täglich mit Menschen in Führungspositionen. Was sind für Dich die wichtigsten Eigenschaften, die eine gute Führungspersönlichkeit ausmachen?    

Marlen: Zum einen die Fähigkeit zur adressatengerechten Kommunikation – eine Führungspersönlichkeit muss in der Lage sein, für unterschiedliche Personen innerhalb und außerhalb einer Organisation sinnvoll die Gründe herzuleiten, warum sie bestimmte Entscheidungen so trifft und nicht anders. Zum anderen bedeutet gute Führung auch, Visionen ins Operative zu übersetzen. Last but not least würde ich sagen: Begeisterungsfähigkeit für ein Thema.

 

Du interviewst Führungspersönlichkeiten und hast auch selbst ein Team. Wie führt man als Hiring Manager gute Interviews mit Kandidat:innen?  

Marlen: Aus der Erfahrung vieler Gespräche kann ich sagen – man sollte sich immer trauen, nach dem „Warum“ zu fragen, wenn Kandidat:innen eine Situation schildern. Generell hat man mit W-Fragen immer die bessere Chance, interessiert und wertschätzend so nachzufragen, dass sich die andere Seite auch öffnet.

 

Hast Du eine Lieblingsfrage, die Du in jedem Interview stellst?

Marlen: Vorgestanzte Fragen halte ich für schwierig, ich muss dem Gespräch ja die Möglichkeit geben, sich einigermaßen natürlich zu entwickeln. Aber ich habe einige Klassiker, die ich fast immer in Variationen frage, meist geht es dabei um die Themen Lernen und persönliche Weiterentwicklung. Zum Beispiel „Was lernst Du gerade, was Du noch nicht gut kannst?“ oder „Was hast Du in den letzten sechs Monaten von einem Teammitglied über Dich selbst gelernt?“ Aber die eine Frage gibt es bei mir nicht, man entwickelt sich ja auch weiter. Zehn Jahre lang immer die gleiche Frage zu stellen – das wäre mir zu langweilig.